Seid gegrüßt meine Lieben,
aus gegebenen Anlass hier eine Geschichte, die mir am Herzen liegt.
Schlüssel
Der Moment der Entscheidung. Der Moment der alles
verändern würde. Für immer. Die Augen schlossen sich und die Arme breiteten
sich aus. Nur noch ein Schritt. Ein Schritt nach vorne, ein Schritt der die
Ewigkeit bedeutete. Der letzte Schritt, der, der getan werden musste. Seine
Hand ergriff etwas an seinen Hals.
Man sagt, das in einen so bedeutenden Moment das
bisherige Leben an einen vorbei zog. Es stimmte. Wenn in seinen Fall auch nur
einen kleinen Abschnitt seines Lebens. Einen winzigen aber bedeutenden Abschnitt…
der Erinnerung.
Der Regen. Die Brücke. Die Verzweiflung. Die Angst.
Eine großartige Stadt namens Wien. Ein Lächeln, zuvor noch nie in so einer
reinen Schönheit gesehen und er, er musste es wissen, sogleich sein Beruf ihn
mit vielen Gesichtern verband.
Die Brücke, er lehnte über das steinige Geländer,
schaute hinab zur Donau, den Regen auf der Haut spürend, durchdringende Nässe
die Kleidung nicht verschonte.
Ein Schirm? Unnötig, es eh alles egal schien. Die
Verzweiflung verdrängte jegliches Feingefühl, die Angst das Schamgefühl.
„Die Nässe auf ihren Wangen, das ist nicht der Regen
alleine.“
So klar und sanft die Stimme und er drehte sich um,
zu schauen in 2 wunderschöne Augen. Augen die er zuvor noch nie gesehen hatte.
Und das Gefühl, das unbeständige Gefühl ertappt worden zu sein. Es zu
verneinen, hieße zu lügen, doch warum störte ihn das, es eh doch alles egal
schien.
Die Augen schauten ihn sanft weiter an und wie durch
ein Wunder hörte der Regen um ihn herum auf und er wurde nicht weiter nass. Dieses
Wunder, sofern er es bemerkte, nennt man Regenschirm.
Seine Augen konnten von den ihren nicht lassen und
im Angesicht der Wiener Metropole schien es fast schon klischeehaft anzumuten,
als er verlegen die Antwort gab. „Ja.“
Ein einfaches Ja, kein Auschmücken, keine Ausreden,
keine Lüge, kein Verstecken der Situation. Aber war das bis vor einen
Augenblick nicht eh egal gewesen? Der Kopf senkte sich, doch hob sich wieder
überraschend als ein Taschentuch die vermischte Nässe aus Regen und Tränen
abtupfte. Es fühlte sich sanft an, fühlte sich unwirklich an, fast schon wie in
einen Film oder auf einer Bühne, da war es, das Klischee.
Die Wangen getrocknet, die Hand sich senkte und die
Augen, diese faszinierenden und wunderschönen Augen, wandten den Blick nicht
ab. Die Verlegenheit, sie ließ kein Wort zu, doch die eigenen Augen sprachen
deutlich eine neue Sprache, von Verzweiflung zur Dankbarkeit.
Wortlos nahm sie seine Hand und zog ihn mit, keinen
Widerstand gab er, folgte ihr und nicht viel später schaute er zu einen
Riesenrad auf.
Der Regen, er fiel immer noch, das Wiener Riesenrad
hatte geschlossene Kabinen und so zog sie ihn mit und kurz darauf, der Blick
über Wien, der Blick über eine wunderschöne Stadt.
Und erst da merkte er es. Eingehakt hatte sie sich bei
ihm und ihr Blick ging verträumt in die Ferne, ihre Hand spielte mit einen
kleinen Schlüssel. Was schien real und was nicht. Es fühlte sich wieder wie ein
Klischee an, wie im Film und doch… es fühlte sich unheimlich gut an. Die
Verzweiflung zuvor, wo war sie nun? Weg?!
Der Regen ließ nach und sie zog ihn weiter mit,
weiter über den Prater vorbei an all diesen bunten Buden, weiter zur
Strassenbahn und dann, viel später stand er vor einer großen Glasscheibe, wurde
von seltsamen Gestalten in schwarzweiß betrachtet. Kichernd stand sie neben
ihn, stupste ihn an, denn Pinguine fand sie schon immer toll. Still stand er
da, war auch in schwarzweiß gekleidet, hatte die Arme gesenkt wie diese ihre
Flügel und vielleicht machte ihn das unbewusst zu einen Mitglied ihrer Familie.
Das reine und wunderschöne Lächeln, er sah es wieder
am Eisbärengehege wo Eisbärenzwillinge sich im Wasser vergnügten. Ihr Lächeln
angesichts dieser Bärenbabys, so unschuldig und rein, so frei und sanft, er
vermisste etwas, seine Angst. Und er sah wieder den kleinen Schlüssel in ihrer
Hand.
Und später vor den Schloß Schönbrunn, sie kichernd
in das Labyrinth lief und er sie nicht finden konnte, ihm jemand die Augen zu hielt
und natürlich war es sie, sie, die ihn eher fand und sie hatte wieder diesen
kleinen Schlüssel in ihrer Hand.
Vorbei am Stephansdom, mit einer Kutsche durch die
Stadt, kein Regen mehr fiel, die Sonne erschien und alles schien wie ein Traum.
Ein klischeehafter Traum, denn jeder Traum nimmt mal ein Ende und irgendwann
standen sie wieder an der Brücke, da, wo alles begann.
Ihr Lächeln, der Abschied spiegelte sich in den
Augen, sie würde gehen und er hatte nichts. Keinen Namen, keine Adresse, keine
Telefonnummer, nichts.
„Was auch immer Verzweiflung rief, so schlimm kann
es nicht sein, sonst hätten sie den Tag heute nicht so genossen.“ Sie drückte
seine Hand zum Abschied und als die Hände sich lösten, hielt er den kleinen
Schlüssel in der Hand.
Er schaute darauf, hob wieder den Blick an und
wollte sie fragen, doch sie war weg. Wie von Erdboden verschwunden. Er war
wieder alleine und der Regen begann wieder zu fallen. Sie war weg und es war,
als ob sie ein großes Loch hinterlassen hatte.
Alleine. Im Regen auf einer Brücke in Wien, wo es mit Verzweiflung und
Angst begann.
Jede Erinnerung hatte ihr Ende und er, er stand vor
diesen Schritt, diesen Schritt in die Ewigkeit, fühlte in seiner Hand den
kleinen Schlüssel, mit einer kleinen Kette umgehangen.
Die Arme ausgebreitet öffnete er die Augen und sah
sie vor sich. Sie, die ihn gefunden hatte. Ihre Hand lag an ihren Hals und er
sah einen kleinen Schlüssel. Die Entscheidung fiel.
Er machte den Schritt vor… und verneigte sich.
Tosender Applaus ertönte, begeisterte Rufe,
begeisterte Pfiffe und sie, die ihn sanft und stolz anlächelte.
Seine Angst und Verzweiflung überwunden, den Sprung
über den eigenen Schatten, der Druck
weg, die Zukunft offener denn je. Überalle standen sie begeistert auf,
hörten nicht mehr auf zu klatschen und sein Blick fiel auf den Schlüssel und
dann auf sie.
Er lächelte.
Ende
Euer
Olli
Was für eine schöne, melancholische und trotzdem so hoffnungsvolle Geschichte. Vielen Dank, Wyvern.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Lucia