Hallo meine Lieben,
ein neuer Tag, eine neue Tür. :-)
Hello my dears,
a new day, a new door. :-)
TÜR 7
(Bild von Ciruelo)
Das Versprechen
Adrian Demerion sitzt am Pool seines Anwesens. Im Wasser
spiegelt sich der Mond wieder. Mit leeren Augen starrt er auf das Wasser.
Tränen laufen seine Wangen hinunter. In der rechten Hand hält er eine Flasche
Wein, in der linken Hand eine Ampulle Tabletten. Seine Absicht ist klar.
Er läßt die Tabletten in seinen Mund gleiten und hebt die
Weinflasche an. Da spürt er etwas über sich. Adrian schaut hoch. Etwas verdeckt
kurz den Mond. Mit einer gewaltigen Wucht knallt etwas in das Schwimmbecken.
Wasser schießt hoch und spritzt ihn von oben bis unten
total nass.
Adrian Demerion ist von der Heftigkeit des Aufpralls so
geschockt worden, dass er seine Tabletten wieder ausgespuckt hat. Die
Weinflasche hat er fallen lassen. Mit offenem Mund starrt er in das Becken.
Zur linken und rechten des Pools ragt je ein Flügel aus
dem Becken. Aus dem hinteren Teil des Beckens ragt ein langer Schwanz aus dem
Becken. Im vorderen Bereich schaut ein großer Kopf aus dem Wasser.
Adrian schaut auf die zerbrochene Flasche am Boden, dann
auf das Etwas im Pool. Er schüttelt nur den Kopf.
Langsam geht er um das Becken herum, zu dem Kopf des
Wesens. Im schwachen Licht der Poolbeleuchtung sieht er zwei funkelnde Augen.
„Wer oder was du auch immer bist, ich bitte dich aus
meinem Pool zu verschwinden und mich allein zu lassen.“
Ernst schaut er das Wesen an. Zu seiner leichten
Überraschung antwortet ihm das Wesen. „Ich glaube, das wird nicht so einfach,
Mensch.“
„Und warum nicht?“
„Mein rechter Flügel ist gebrochen. Ohne ihn kann ich
nicht fliegen. Damit komme ich hier nicht weg."
„Kannst du nicht gehen, oder was?“
„Doch, aber ohne meinen Flügel bin ich hilflos. Ich
brauche Hilfe. Deine Hilfe.“
„Da habe ich eine bessere Idee.“
„Eine bessere Idee?“
„Ja.“
„Und die wäre?“
„Friß mich.“
„Was?“
„Ja. Ich war gerade im Begriff mich umzubringen. Das hast
du mit deiner komischen Bruchlandung verhindert.“
„Ich könnte dich ja fressen, aber das hilft mir nicht.
Ich brauche deine Hilfe.“
„Und wenn ich dir nicht helfe?“
Da wird das Funkeln in den Augen des Wesens wilder. Rauch
steigt aus den Nasenlöchern. „Dann könntest du es bereuen.“
„Nur zu. Ich habe nichts dagegen. Er breitet die Arme
aus. „Worauf wartest du?“
Das Wesen zögert. Eine Spur von Erstaunen ist in den
Zügen des Wesens zu erkennen. Das Funkeln in den Augen erlischt ein wenig.
Viel, viel sanfter kommt jetzt die Stimme des Wesens. „Bitte hilf mir. Ohne
meinen Flügel bin ich meinen Feinden hilflos ausgeliefert und damit verloren.
ICH will jedenfalls noch nicht sterben.“
Fast flehend schauen die Augen ihn an. Überrascht von der
plötzlichen Sanftheit des Wesens wird Adrian nun nachdenklich. Wenn er das
Leben jetzt verlässt, verurteilt er das Wesen höchstwahrscheinlich mit zum
Tode. Das Wesen kann schließlich nichts für seine Situation. Es wäre im
gewissen Sinne Mord.
„Bitte hilf mir. Ich verspreche auch dir zu helfen, wenn
der Flügel verheilt ist.“ sagt es mit entschlossener Stimme. Adrian horcht auf.
„Also, gut. Wenn ich dir helfe, dann hilfst du mir.“
„Ja.“
„Du weißt, was für eine Art Hilfe ich erwarte?“
„Ja.“
„Nun gut. Es gilt.“ Adrian berührt den Schädel des
Wesens. Dann mustert er es.
„Wer oder was bist du überhaupt?“ fragt er dann.
Verwundert blickt es ihn an. „Du weißt nicht, was ich
bin?“
„Nein. Ganz zu schweigen davon, dass ich so etwas wie
dich sowieso noch nie gesehen habe. In dieser Dunkelheit ist zudem nicht viel
von dir zu erkennen.“ sagt er ein wenig beleidigt.
„Ich bin ein Drache.“ sagt es und erhebt sich. Übermütig
streckt es seine gewaltigen Flügel aus.
„Nein!“ ruft Adrian. Doch es ist zu spät.
„Aua.“ hört er es noch rufen, dann knickt der rechte
Flügel ein und der Drache knallt aufs Wasser zurück. Wieder spritzt das Wasser
auf und erneut wird Adrian von Kopf bis Fuss nass. „Vielen Dank.“ Sagt er
skeptisch und blickt das Wesen mit verzogenem Mund an.
„Das... das wollte ich nicht.“ sagt der Drache mit
großen, traurigen Augen.
„Ist schon gut.“ Adrian muss lachen. Er hört nicht mehr
auf zu lachen. Verwundert schaut der Drache ihn an. Er hat den Menschen zwei
Mal komplett nass gespritzt, doch dieser lacht nur darüber. Menschen können
ganz schön merkwürdig sein. Nachdem Adrian sich wieder einigermaßen eingekriegt
hat, blickt er den Flügel des Drachen an.
„Und nun?“ fragt Adrian.
„Ich möchte, dass du schlafen gehst.“
„Häh?“
„Geh schlafen. Alles andere klärt sich.“
„Für deine Größe müssen wir uns auch noch etwas einfallen
lassen. Man sieht dich zu schnell.“
„Morgen... mein Freund. Morgen Schlafe jetzt.“ sagt der
Drache mit sichtlicher Erheiterung.
Adrian hört auf den Drachen. Irgend etwas in ihm sagt
ihm, dass er dem Drachen vertrauen kann. Ein letzter Blick zurück und dann geht
er mit langsamen Schritten ins Haus. Während er sich ins Bett legt, überlegt
Adrian, was ihm diese merkwürdige Begegnung gebracht hat oder noch bringen
wird. Er schläft ein.
¯¯¯
An nächsten Morgen öffnet er verschlafen die Augen. Das
Erste, das ihm einfällt ist sein nächtlicher Besucher. Es kommt ihm wie ein
Traum vor. Verschlafen richtet er sich auf und stellt fest, dass er in voller
Montur geschlafen hat. Adrian steht auf und reckt sich. Dann geht er nach
draussen zum Schwimmbecken. Wenn der Drache echt gewesen ist, muss er noch im
Pool sein. Wegfliegen kann er mit gebrochenem Flügel ja nicht. Und sollte er
trotz allem weg sein, dann müsste man ja Spuren sehen können. Bei einem so
großen Wesen wäre das nur logisch.
Wie erwartet ist der Pool leer und rundherum nichts, was
auf einen Drachen hinweist. Er ist enttäuscht. Schließlich hatte der Drache ihm
ja etwas versprochen.
Plötzlich legt sich eine Hand auf seine Schulter. Adrian
erschreckt, denn er lebt allein auf diesem Anwesen. Er schnellt herum und
erstarrt.
Vor ihm steht die schönste Frau, die er je gesehen hat.
Ein seltsamer Glanz umgibt sie. Der Glanz strahlt Wärme aus.
„Ich habe dir gesagt, das Problem mit der Größe klärt
sich. Ist es so besser?“ fragt sie.
„Was?“ stammelt Adrian.
„Ich war heute Nacht um einiges größer. Was ist?
Erinnerst du dich nicht? Ich hatte Flügel.“ Sie hebt provisorisch den linken
Arm.
„Der Drache... das warst du?“ Ungläubig blickt er sie an.
„Ja.“ lächelt sie und deutet auf ihren rechten Arm. „Der
gebrochene Flügel. Erinnerst du dich?“
„Ich glaube es einfach nicht.“ Er schüttelt den Kopf.
Vorsichtig nimmt er ihre linke Hand und führt sie in das Haus. Dort nimmt er
den Verbandskasten und verbindet ihren rechten Arm. Tapfer unterdrückt sie ihre
Schmerzen. Er schaut die beim Verbinden des Armes an. Diese wunderschöne Frau
ist gestern noch ein Drache gewesen? Nein. Das kann er irgendwie nicht glauben.
Was ist nur los?
„Wir müssen zum Arzt fahren.“ sagt er dann.
„Muss das wirklich sein?“ fragt sie leise.
„Es wäre besser, damit der Arm schneller heilt.“
„Der Flügel verheilt von selbst.“
„Und wie lange dauert das?“
„Nicht länger als der gebrochene Arm eines Menschen.“
„Das dauert mit Arzthilfe schon Wochen. Nichts da. Wir
fahren zum Arzt. Keine Widerrede. Es geht schließlich um mehr.“
„Was meinst du?“
„Das Versprechen!“ Adrian legt den Verbandskasten wieder
weg.
Was Adrian nicht sieht ist, dass die Frau ihn traurig
anschaut.
„Wie heißt du?“ fragt sie. Er dreht sich um.
„Adrian. Adrian Demerion.“
„Ich heiße Alistaire. Als Drache werde ich Crystallion
genannt.“ sagt sie.
Er schaut sie an. „Das sind wirklich schöne Namen.“ sagt
er dann.
„Du schmeichelst.“
„Nein, nein. Ich meine es ehrlich.“ beteuert er.
Sie blickt ihm tief in die Augen. Ein sanfter Schauer
überläuft ihn. Schnell schaut er weg.
„Wir müssen zum Arzt.“
„In der Kleidung? Sie ist anders als eure Kleidung.“
„Stimmt.“
„Wir müssen erst Kleidung kaufen.“
Adrian mustert ihr langes weißes Kleid. Es ist anders im
Aussehen als die, die er kennt. Es wirkt sehr fremdartig. Auch diese Schuhe.
Sie sind seltsam. Sie haben einen funkelnden Edelstein an den Fußenden. Adrian
greift zum Telefon. Er wählt eine Nummer.
„Ja. Hallo Eleonor, ich bin es, Adrian. Ja. Kannst du mir
einen Gefallen tun? Nichts besonderes. Halte nur dein Geschäft von 11:00 Uhr
bis 12:00 Uhr geschlossen. Nein ich bin nicht verrückt. Ich bringe jemanden
mit. Es wird sich für dich lohnen. Ganz bestimmt. Versprochen. Es klappt?
Super. Bis gleich. Tschüs.“ Adrian legt auf.
„So. Wir haben jetzt 9:00 Uhr. Wir frühstücken, dann
fahren wir zu meiner Bekannten Eleonor und kleiden dich ein.“
„Nein.“
„Doch.“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Meine Feinde!“
„Sie werden dich nicht finden, geschweige denn kriegen.“
„Meinst du wirklich?“
„Ja. Vertrau mir.“
Adrian nimmt ihre Hand und führt sie in das Esszimmer. Im
Nu hat er ein Frühstück auf den Tisch gezaubert.
„Ähhh. Wie viel isst du?“ fragt Adrian etwas verlegen.
„Soviel wie jeder normale Mensch auch.“ sagt sie
erstaunt.
„Ich meine, ähh, als Drache...“ stammelt er.
„Als Drache esse ich soviel wie jeder andere Drache.“
lächelt sie.
Adrian fragt nicht weiter nach. Das Frühstück verläuft
ruhig. Danach führt er Alistaire zu seinem Auto. Er hilft ihr beim Einsteigen.
Dann fährt er los. Vom Haus bis zum Tor der Grundstücksgrenze braucht der Wagen
gut fünf Minuten. Alistaire staunt über das große Grundstück. Adrian muss viel
Geld haben, um sich so ein Anwesen leisten zu können. Aber warum will er
sterben? Was für einen Grund hat er?
Pünktlich um 11:00 Uhr stehen sie vor dem Geschäft.
Adrian fährt mit dem Wagen hinter das Geschäft. Sie betreten das Geschäft durch
den Hintereingang. Eleonor Schmidt lächelt beide an. Sie mustert Alistaire.
„Bemerkenswerte Kleidung.“ Eleonor berührt das Kleid.
„Wirklich schön.“
Adrian zieht Eleonor sanft weg. Dann wendet er sich
Alistaire zu. „Such dir irgend etwas aus.“
„Irgend etwas? Egal was?“
„Egal was! Was dir gefällt.“
Alistaire beginnt sich umzuschauen. Eleonor sieht
kopfschüttelnd zu. Alistaire benimmt sich, als ob sie so etwas noch nie gesehen
hat. Sie schaut sich jedes Kleid an. Eleonor wendet sich an Adrian.
„Wer ist sie?“
„Oh, äh, sie ist meine Nichte. Sie kommt aus Schottland.
Mein Onkel hat ihr erlaubt die Ferien bei mir zu verbringen.“
„Du hast einen Onkel in Schottland?“
„Ja. Onkel Scrooge. Er hat es nicht leicht mit ihr.“
„Aha.“
Alistaire kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Nachdem sie sich fast eine halbe Stunde umgeschaut hat, nimmt sie sich das
Kleid ihrer Wahl und zieht es an. Dann geht sie zu Adrian und Eleonor.
„Wie gefällt es dir?“ Sie schaut Adrian an.
Es hat ihm die Sprache verschlagen. In dem Kleid sieht
sie atemberaubend aus. Er merkt nicht, wie sein Kiefer herunter hängt. Eleonor
stupst ihn an. „Heh. Sie ist diene Nichte!“ flüstert sie.
Adrian reisst sich zusammen. „Sehr schön. Sehr toll. Sehr
fantastisch.“ plappert er los.
Eleonor schüttelt den Kopf.
Adrian bezahlt Eleonor das Kleid und legt noch mächtig
Geld drauf, für die Zeit die das Geschäft geschlossen hatte. Alistaire bedankt
sich bei Eleonor und verabschiedet sich. Adrian steuert den Arzt an. Er hat
große Mühe sich auf die Straße zu konzentrieren.
Beim Arzt angekommen, nimmt sie seine Hand und schaut ihn
an.
„Müssen wir wirklich da rein?“
„Ja.“
„Es verheilt auch so. Ohne Arzt.“
„Es muss sein.“
„Bitte nicht. Ich möchte nicht.“
Adrian schaut sie an. Er erkennt Angst in ihren Augen.
Die Heilung würde länger dauern. Das passt ihm nicht. Doch andererseits... Will
er sie wirklich zwingen da rein zu gehen? Nein! Das kann er nicht. Er macht den
Motor wieder an und fährt los.
„Danke.“ sagt sie. Es klingt sehr ehrlich gemeint.
Adrian steuert den Wagen zum Anwesen zurück. Unterwegs
telefoniert er.
„Frau Grethan? Ja, ich bin’s, Demerion. Ich werde die
nächsten zwei Wochen nicht zu erreichen sein. Ich mache Urlaub. Machen sie
stellvertretend für mich weiter. Ich melde mich mal kurz zwischendurch. Gut?
Also, dann. Danke. Tschüs.“
Der Wagen hält vor dem Anwesen.
¯¯¯
Am Abend sitzen beide in seinem Wohnzimmer. Adrian
blättert in einem Buch. Alistaire sieht Fernsehen. Nach einer kurzen Zeit macht
sie den Fernseher aus und schaut Adrian an. Dieser bemerkt das und schaut von
seinem Buch auf.
„Stimmt etwas nicht mit mir?“ fragt er verwundert.
„Menschen haben normalerweise Angst vor Drachen. Warum du
nicht?“ fragt sie.
„Vielleicht, weil ich lebensmüde bin.“ Er lächelt.
„Warum willst du sterben?“ fragt sie weiter.
Sein Lächeln gefriert. „Das kann und will ich dir nicht sagen,
Alistaire. Denk an das Versprechen, das Crystallion mir gab. Es bleibt dabei.
Wie lange braucht dein Arm, bis er geheilt ist?“
Traurig von seinem plötzlichen Stimmungswechsel hebt sie
vorsichtig den Arm an. „So lange, wie bei euch Menschen auch. Es kann schnell
verheilen, es kann aber auch länger dauern. Das kann ich nicht beeinflussen.“
Er sieht ihre traurigen Augen und senkt den Kopf. Er kann
ihr sein Geheimnis nicht mitteilen. Sie kann ihm ja doch nicht helfen.
„Tut mir leid. Ich wollte nicht so hart sein.“
Er steht auf und geht zu ihr hin. Sanft hebt er sie vom
Sessel hoch und nimmt sie in seine Arme.
„Tut mir leid.“ sagt er noch mal leise. Lange bleiben
beide so stehen.
¯¯¯
Die Tage vergehen. Adrian zeigt Alistaire sein Anwesen.
Das Anwesen ist sehr groß und bietet viele Gelegenheiten zum Spazierengehen.
„Dein Anwesen ist ja gewaltig. Hast du es gekauft?“ fragt
Alistaire.
„Nein. Ich habe es geerbt. Ich bin der letzte einer
langen Familienreihe. Meine Urahnen kamen nach England und bauten dieses Haus.
Sie waren adelig. Dieses Haus, das Land und der Familienbetrieb sind mein
Erbe.“
„Familienbetrieb?“
„Ja. In meinem Familienbetrieb wird feinster Wein
erstellt. Er wird in alle Welt verkauft. Das Geschäft läuft sehr gut.“
„Interessant.“ Alistaire geht voran. Adrian folgt ihr und
bewundert wieder ihre Schönheit.
„Erzähl mir etwas über deine Feinde.“ sagt er.
„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es handelt sich um
Feinde meiner Mutter Astallion. Sie wollen mich fangen, um meine Mutter zu
erpressen.“
„Warum wollen sie deine Mutter erpressen?“
„Sie ist die Königin über die weißen Drachen. Redonar ist
der Führer der roten Drachen. Er will das gesamte Reich der Drachen
beherrschen. Sein Widersacher ist Dremonar. Er ist der letzte der schwarzen
Drachen. Und sein Bruder.“
Alistaire bleibt stehen.
„Ich bin dir sehr dankbar für deine Hilfe. Ohne dich
hätte es sehr schlecht um mich gestanden. Ich bezweifle, dass ich von anderen
Menschen so eine Hilfe wie von dir bekommen hätte. Ein Drache. Das wäre eine
Attraktion gewesen. Ich wäre Geld für andere gewesen.“
Alistaire legt ihre Hände auf seine Schultern. „Nie, nie
zuvor hat mich ein Mensch so akzeptiert wie du. Du bist der erste Mensch, der
in mir nicht den Drachen, sondern die Frau sieht, die jetzt vor dir steht. Und
das bedeutet mir sehr viel.“
Adrian Demerion spürt die Wärme, die von diesen Worten
ausgeht. Er fühlt sich irgendwie ganz schlecht. Das Versprechen, das er ihr
abverlangt tut ihr weit mehr weh, als er dachte. Ein Drache hat mit so etwas
keine Probleme, aber Alistaire. Er verwirft schnell den Gedanken. Was er auch
denkt, es ändert nicht seine Lage. Es muss so enden. Es kann gar nicht anders
enden.
Alistaire nimmt ihre Hände von seiner Schulter. Dabei
verbeißt sie sich den Schmerz, der von ihrem rechten Arm ausgeht. Sein Zögern
sagt ihr alles.
„Was ist so stark, dass du sterben willst?“ Sie dreht ihm
den Rücken zu und geht langsam weiter. Was er nicht sehen kann, sind die
Tränen, die in ihre Augen treten. Adrian bleibt zurück. Als sie weiter weg ist,
rast seine Hand an einen Baum.
„Warum? Warum nur?“
¯¯¯
Zwei weitere Tage vergehen. Es wird kein Wort über das
Versprechen gesagt. Adrian erzählt viel über sich und sein Anwesen. Alistaire
findet in den Worten von Adrian keinen Grund für sein Sterbebedürfnis.
Abends duscht er sich. Alistaire geht in sein
Arbeitszimmer, um im Bücherregal zu stöbern. Sie findet ein Buch über Drachen
und nimmt es aus dem Regal.
„Ich bin mal gespannt, was die Menschen über uns
schreiben.“ murmelt sie und geht auf seinen Arbeitsstuhl zu. Dabei stolpert sie
über den Läufer am Boden und stürzt. Sie kommt mit dem rechten Arm auf dem
Schreibtisch auf und reißt einen Packen Papiere mit sich.
„Ahhh.“ Schmerzerfüllt hält sie ihren Arm fest. Sie sinkt
auf die Knie. Es dauert einen Augenblick, bis sie sich einigermaßen erholt hat.
„Was habe ich da nur angerichtet?“ sagt sie zu sich
selbst, als sie die Bescherung am Boden sieht. Sie packt das Papier auf einen
Haufen und legt es wieder auf den Schreibtisch. Dabei fällt ein Brief aus dem
Packen. Er fällt direkt vor ihre Füsse. Sie hebt ihn auf und möchte ihn
zurücklegen.
Doch da erfüllt sie Neugier. Nach kurzem Bedenken faltet
sie den Brief auf und fängt an zu lesen. Mit jeder Zeile weiten sich ihre Augen
und ihr Mund öffnet sich. Sie begreift. Jetzt ist ihr klar, warum er so auf das
Versprechen beharrt.
Sie legt den Brief zurück und geht mit dem Buch aus dem
Arbeitszimmer.
So viel ist jetzt klar.
¯¯¯
Wieder vergehen ein paar Tage. Sie sitzen Abends im
Wohnzimmer.
Alistaire sitzt auf dem Sofa und liest. Adrian steht am
Fenster. Draußen ist es am regnen. Es ist kalt. Der Herbst durchzieht das Land.
Adrian dreht sich um und schaut Alistaire an. Erneut fesselt ihn ihre Schönheit.
Sein Blick streift über ihren schlanken Körper und bleibt bei ihrem Gesicht
hängen. Ist es ein Zauber, den sie ausstrahlt? Er weiß es nicht.
Alistaire legt das Buch zur Seite und steht auf. Sie geht
langsam auf ihn zu. Ihr weißes Kleid schimmert im leichten Licht des
Kaminfeuers.
Sie bleibt vor ihm stehen. Adrian ist überrascht. Ihre
Augen strahlen Sanftheit aus. Sie hebt ihren rechten Arm. Ihre linke Hand
öffnet den Verbandverschluss. Sie hält ihm den rechten Arm hin. Er schaut erst
auf den Arm und dann auf sie. Sie nickt. Er wickelt langsam den Verband ab. Der
Verband fällt zu Boden. Sie schauen sich tief in die Augen. Ihre Augen glänzen
seltsam.
Wortlos tritt sie ganz nah an ihn heran und berührt mit
ihren Lippen die seinen. Er nimmt sie fest in den Arm und erwidert den Kuss.
„Schenke mir diese Nacht.“ sagt sie und er nickt. Sie
geht in ihr Schlafzimmer, wobei sie ihn sanft mit sich zieht. Die Nacht ist
noch lang.
¯¯¯
Als Adrian am nächsten Morgen aufwacht, ist er allein im
Schlafzimmer. Er zieht sich an und geht in das Wohnzimmer. Doch da ist sie
nicht. Nach kurzer Suche findet er Alistaire am Schwimmbecken. Sie trägt ihr
weißes Kleid und die Schuhe mit den funkelnden Edelsteinen.
„Ist es soweit?“
„Ja, Adrian. Hier hat es begonnen. Ob es hier endet, überlasse
ich dir.“
„Was soll das heißen?“
„Ich weiß alles. Alles über deine Krankheit.“
„Aber woher?“
„Das bleibt mein Geheimnis. Du hast Krebs und willst
deswegen sterben.“
„Ja.“
„Warum bekämpfst du den Krebs nicht? Ich liebe dich. Es
fällt mir sehr schwer, das Versprechen zu halten.“ Sie senkt den Kopf.
„Ich liebe dich auch, aber... aber ich... kann nicht.“ Er
fällt auf die Knie und schlägt die Hände vor sein Gesicht. Tränen rollen über
seine Wangen. „Auf dieser Welt kann mir niemand mehr helfen. Ich möchte in eine
andere, in eine bessere Welt.“ schluchzt er.
„Es sei.“ Alistaire beugt sich zu ihm nieder und küßt ihn
auf die Stirn. Dann tritt sie zurück. Sie hebt ihre Arme. Sie beginnt sich
langsam zu verändern. Ein Schein umgibt sie und Alistaire beginnt zu wachsen
und sich zu verwandeln. Aus Alistaire wird Crystallion. Adrian erhebt sich und
erwartet sein Schicksal. Der weiße Drache hebt seine mächtigen Flügel und speit
Feuer.
„Ich werde mein Versprechen halten, Adrian Demerion.“
hallt die Stimme des Drachen wider.
„Ich liebe dich Alistaire.“ sagt Adrian leise, bevor es
schwarz vor seinen Augen wird.
Ende
17.06.1995
Amy & Olli
Geschichte
Wie sicherlich schon einige wissen, schreibe ich gerne Geschichten. Diese Geschichte habe ich mit Amy zusammen geschrieben und ich habe sie bis heute nie korrigiert oder in die Vergangenheit gesetzt, sondern sie im Ursprung gelassen, weil es unsere letzte gemeinsame Geschichte war.
Alles was ich dazu noch sagen möchte ist, das diese Geschichte im Krankenhaus enstand und Amy im gleichen Jahr ihre Flügel bekam....
Ich hatte ihr damals versprochen diese Geschichte nicht zu vergraben sondern auch Anderen zu zeigen. :-)
I´m sorry, i only have that story in german. It was the last story i wrote with a wonderfull person, called Amy and we wrote it in the hospital. In the same year she ot her wings...
Liebe Grüße
Lys & Olli