Freitag, 7. Dezember 2012

Lys Adventskalender Tür 7

Hallo meine Lieben,
ein neuer Tag, eine neue Tür. :-)

Hello my dears,
a new day, a new door. :-)

TÜR 7
 
(Bild von Ciruelo)
 

Das Versprechen

 

Adrian Demerion sitzt am Pool seines Anwesens. Im Wasser spiegelt sich der Mond wieder. Mit leeren Augen starrt er auf das Wasser. Tränen laufen seine Wangen hinunter. In der rechten Hand hält er eine Flasche Wein, in der linken Hand eine Ampulle Tabletten. Seine Absicht ist klar.

Er läßt die Tabletten in seinen Mund gleiten und hebt die Weinflasche an. Da spürt er etwas über sich. Adrian schaut hoch. Etwas verdeckt kurz den Mond. Mit einer gewaltigen Wucht knallt etwas in das Schwimmbecken.

Wasser schießt hoch und spritzt ihn von oben bis unten total nass.

Adrian Demerion ist von der Heftigkeit des Aufpralls so geschockt worden, dass er seine Tabletten wieder ausgespuckt hat. Die Weinflasche hat er fallen lassen. Mit offenem Mund starrt er in das Becken.

Zur linken und rechten des Pools ragt je ein Flügel aus dem Becken. Aus dem hinteren Teil des Beckens ragt ein langer Schwanz aus dem Becken. Im vorderen Bereich schaut ein großer Kopf aus dem Wasser.

Adrian schaut auf die zerbrochene Flasche am Boden, dann auf das Etwas im Pool. Er schüttelt nur den Kopf.

Langsam geht er um das Becken herum, zu dem Kopf des Wesens. Im schwachen Licht der Poolbeleuchtung sieht er zwei funkelnde Augen.

„Wer oder was du auch immer bist, ich bitte dich aus meinem Pool zu verschwinden und mich allein zu lassen.“

Ernst schaut er das Wesen an. Zu seiner leichten Überraschung antwortet ihm das Wesen. „Ich glaube, das wird nicht so einfach, Mensch.“

„Und warum nicht?“

„Mein rechter Flügel ist gebrochen. Ohne ihn kann ich nicht fliegen. Damit komme ich hier nicht weg."

„Kannst du nicht gehen, oder was?“

„Doch, aber ohne meinen Flügel bin ich hilflos. Ich brauche Hilfe. Deine Hilfe.“

„Da habe ich eine bessere Idee.“

„Eine bessere Idee?“

„Ja.“

„Und die wäre?“

„Friß mich.“

„Was?“

„Ja. Ich war gerade im Begriff mich umzubringen. Das hast du mit deiner komischen Bruchlandung verhindert.“

„Ich könnte dich ja fressen, aber das hilft mir nicht. Ich brauche deine Hilfe.“

„Und wenn ich dir nicht helfe?“

Da wird das Funkeln in den Augen des Wesens wilder. Rauch steigt aus den Nasenlöchern. „Dann könntest du es bereuen.“

„Nur zu. Ich habe nichts dagegen. Er breitet die Arme aus. „Worauf wartest du?“

Das Wesen zögert. Eine Spur von Erstaunen ist in den Zügen des Wesens zu erkennen. Das Funkeln in den Augen erlischt ein wenig. Viel, viel sanfter kommt jetzt die Stimme des Wesens. „Bitte hilf mir. Ohne meinen Flügel bin ich meinen Feinden hilflos ausgeliefert und damit verloren. ICH will jedenfalls noch nicht sterben.“

Fast flehend schauen die Augen ihn an. Überrascht von der plötzlichen Sanftheit des Wesens wird Adrian nun nachdenklich. Wenn er das Leben jetzt verlässt, verurteilt er das Wesen höchstwahrscheinlich mit zum Tode. Das Wesen kann schließlich nichts für seine Situation. Es wäre im gewissen Sinne Mord.

„Bitte hilf mir. Ich verspreche auch dir zu helfen, wenn der Flügel verheilt ist.“ sagt es mit entschlossener Stimme. Adrian horcht auf.

„Also, gut. Wenn ich dir helfe, dann hilfst du mir.“

„Ja.“

„Du weißt, was für eine Art Hilfe ich erwarte?“

„Ja.“

„Nun gut. Es gilt.“ Adrian berührt den Schädel des Wesens. Dann mustert er es.

„Wer oder was bist du überhaupt?“ fragt er dann.

Verwundert blickt es ihn an. „Du weißt nicht, was ich bin?“

„Nein. Ganz zu schweigen davon, dass ich so etwas wie dich sowieso noch nie gesehen habe. In dieser Dunkelheit ist zudem nicht viel von dir zu erkennen.“ sagt er ein wenig beleidigt.

„Ich bin ein Drache.“ sagt es und erhebt sich. Übermütig streckt es seine gewaltigen Flügel aus.

„Nein!“ ruft Adrian. Doch es ist zu spät.

„Aua.“ hört er es noch rufen, dann knickt der rechte Flügel ein und der Drache knallt aufs Wasser zurück. Wieder spritzt das Wasser auf und erneut wird Adrian von Kopf bis Fuss nass. „Vielen Dank.“ Sagt er skeptisch und blickt das Wesen mit verzogenem Mund an.

„Das... das wollte ich nicht.“ sagt der Drache mit großen, traurigen Augen.

„Ist schon gut.“ Adrian muss lachen. Er hört nicht mehr auf zu lachen. Verwundert schaut der Drache ihn an. Er hat den Menschen zwei Mal komplett nass gespritzt, doch dieser lacht nur darüber. Menschen können ganz schön merkwürdig sein. Nachdem Adrian sich wieder einigermaßen eingekriegt hat, blickt er den Flügel des Drachen an.

„Und nun?“ fragt Adrian.

„Ich möchte, dass du schlafen gehst.“

„Häh?“

„Geh schlafen. Alles andere klärt sich.“

„Für deine Größe müssen wir uns auch noch etwas einfallen lassen. Man sieht dich zu schnell.“

„Morgen... mein Freund. Morgen Schlafe jetzt.“ sagt der Drache mit sichtlicher Erheiterung.

Adrian hört auf den Drachen. Irgend etwas in ihm sagt ihm, dass er dem Drachen vertrauen kann. Ein letzter Blick zurück und dann geht er mit langsamen Schritten ins Haus. Während er sich ins Bett legt, überlegt Adrian, was ihm diese merkwürdige Begegnung gebracht hat oder noch bringen wird. Er schläft ein.

 

¯¯¯

 

An nächsten Morgen öffnet er verschlafen die Augen. Das Erste, das ihm einfällt ist sein nächtlicher Besucher. Es kommt ihm wie ein Traum vor. Verschlafen richtet er sich auf und stellt fest, dass er in voller Montur geschlafen hat. Adrian steht auf und reckt sich. Dann geht er nach draussen zum Schwimmbecken. Wenn der Drache echt gewesen ist, muss er noch im Pool sein. Wegfliegen kann er mit gebrochenem Flügel ja nicht. Und sollte er trotz allem weg sein, dann müsste man ja Spuren sehen können. Bei einem so großen Wesen wäre das nur logisch.

Wie erwartet ist der Pool leer und rundherum nichts, was auf einen Drachen hinweist. Er ist enttäuscht. Schließlich hatte der Drache ihm ja etwas versprochen.

Plötzlich legt sich eine Hand auf seine Schulter. Adrian erschreckt, denn er lebt allein auf diesem Anwesen. Er schnellt herum und erstarrt.

Vor ihm steht die schönste Frau, die er je gesehen hat. Ein seltsamer Glanz umgibt sie. Der Glanz strahlt Wärme aus.

„Ich habe dir gesagt, das Problem mit der Größe klärt sich. Ist es so besser?“ fragt sie.

„Was?“ stammelt Adrian.

„Ich war heute Nacht um einiges größer. Was ist? Erinnerst du dich nicht? Ich hatte Flügel.“ Sie hebt provisorisch den linken Arm.

„Der Drache... das warst du?“ Ungläubig blickt er sie an.

„Ja.“ lächelt sie und deutet auf ihren rechten Arm. „Der gebrochene Flügel. Erinnerst du dich?“

„Ich glaube es einfach nicht.“ Er schüttelt den Kopf. Vorsichtig nimmt er ihre linke Hand und führt sie in das Haus. Dort nimmt er den Verbandskasten und verbindet ihren rechten Arm. Tapfer unterdrückt sie ihre Schmerzen. Er schaut die beim Verbinden des Armes an. Diese wunderschöne Frau ist gestern noch ein Drache gewesen? Nein. Das kann er irgendwie nicht glauben. Was ist nur los?

„Wir müssen zum Arzt fahren.“ sagt er dann.

„Muss das wirklich sein?“ fragt sie leise.

„Es wäre besser, damit der Arm schneller heilt.“

„Der Flügel verheilt von selbst.“

„Und wie lange dauert das?“

„Nicht länger als der gebrochene Arm eines Menschen.“

„Das dauert mit Arzthilfe schon Wochen. Nichts da. Wir fahren zum Arzt. Keine Widerrede. Es geht schließlich um mehr.“

„Was meinst du?“

„Das Versprechen!“ Adrian legt den Verbandskasten wieder weg.

Was Adrian nicht sieht ist, dass die Frau ihn traurig anschaut.

„Wie heißt du?“ fragt sie. Er dreht sich um.

„Adrian. Adrian Demerion.“

„Ich heiße Alistaire. Als Drache werde ich Crystallion genannt.“ sagt sie.

Er schaut sie an. „Das sind wirklich schöne Namen.“ sagt er dann.

„Du schmeichelst.“

„Nein, nein. Ich meine es ehrlich.“ beteuert er.

Sie blickt ihm tief in die Augen. Ein sanfter Schauer überläuft ihn. Schnell schaut er weg.

„Wir müssen zum Arzt.“

„In der Kleidung? Sie ist anders als eure Kleidung.“

„Stimmt.“

„Wir müssen erst Kleidung kaufen.“

Adrian mustert ihr langes weißes Kleid. Es ist anders im Aussehen als die, die er kennt. Es wirkt sehr fremdartig. Auch diese Schuhe. Sie sind seltsam. Sie haben einen funkelnden Edelstein an den Fußenden. Adrian greift zum Telefon. Er wählt eine Nummer.

„Ja. Hallo Eleonor, ich bin es, Adrian. Ja. Kannst du mir einen Gefallen tun? Nichts besonderes. Halte nur dein Geschäft von 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr geschlossen. Nein ich bin nicht verrückt. Ich bringe jemanden mit. Es wird sich für dich lohnen. Ganz bestimmt. Versprochen. Es klappt? Super. Bis gleich. Tschüs.“ Adrian legt auf.

„So. Wir haben jetzt 9:00 Uhr. Wir frühstücken, dann fahren wir zu meiner Bekannten Eleonor und kleiden dich ein.“

„Nein.“

„Doch.“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Meine Feinde!“

„Sie werden dich nicht finden, geschweige denn kriegen.“

„Meinst du wirklich?“

„Ja. Vertrau mir.“

Adrian nimmt ihre Hand und führt sie in das Esszimmer. Im Nu hat er ein Frühstück auf den Tisch gezaubert.

„Ähhh. Wie viel isst du?“ fragt Adrian etwas verlegen.

„Soviel wie jeder normale Mensch auch.“ sagt sie erstaunt.

„Ich meine, ähh, als Drache...“ stammelt er.

„Als Drache esse ich soviel wie jeder andere Drache.“ lächelt sie.

Adrian fragt nicht weiter nach. Das Frühstück verläuft ruhig. Danach führt er Alistaire zu seinem Auto. Er hilft ihr beim Einsteigen. Dann fährt er los. Vom Haus bis zum Tor der Grundstücksgrenze braucht der Wagen gut fünf Minuten. Alistaire staunt über das große Grundstück. Adrian muss viel Geld haben, um sich so ein Anwesen leisten zu können. Aber warum will er sterben? Was für einen Grund hat er?

 

Pünktlich um 11:00 Uhr stehen sie vor dem Geschäft. Adrian fährt mit dem Wagen hinter das Geschäft. Sie betreten das Geschäft durch den Hintereingang. Eleonor Schmidt lächelt beide an. Sie mustert Alistaire.

„Bemerkenswerte Kleidung.“ Eleonor berührt das Kleid. „Wirklich schön.“

Adrian zieht Eleonor sanft weg. Dann wendet er sich Alistaire zu. „Such dir irgend etwas aus.“

„Irgend etwas? Egal was?“

„Egal was! Was dir gefällt.“

Alistaire beginnt sich umzuschauen. Eleonor sieht kopfschüttelnd zu. Alistaire benimmt sich, als ob sie so etwas noch nie gesehen hat. Sie schaut sich jedes Kleid an. Eleonor wendet sich an Adrian.

„Wer ist sie?“

„Oh, äh, sie ist meine Nichte. Sie kommt aus Schottland. Mein Onkel hat ihr erlaubt die Ferien bei mir zu verbringen.“

„Du hast einen Onkel in Schottland?“

„Ja. Onkel Scrooge. Er hat es nicht leicht mit ihr.“

„Aha.“

Alistaire kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nachdem sie sich fast eine halbe Stunde umgeschaut hat, nimmt sie sich das Kleid ihrer Wahl und zieht es an. Dann geht sie zu Adrian und Eleonor.

„Wie gefällt es dir?“ Sie schaut Adrian an.

Es hat ihm die Sprache verschlagen. In dem Kleid sieht sie atemberaubend aus. Er merkt nicht, wie sein Kiefer herunter hängt. Eleonor stupst ihn an. „Heh. Sie ist diene Nichte!“ flüstert sie.

Adrian reisst sich zusammen. „Sehr schön. Sehr toll. Sehr fantastisch.“ plappert er los.

Eleonor schüttelt den Kopf.

Adrian bezahlt Eleonor das Kleid und legt noch mächtig Geld drauf, für die Zeit die das Geschäft geschlossen hatte. Alistaire bedankt sich bei Eleonor und verabschiedet sich. Adrian steuert den Arzt an. Er hat große Mühe sich auf die Straße zu konzentrieren.

Beim Arzt angekommen, nimmt sie seine Hand und schaut ihn an.

„Müssen wir wirklich da rein?“

„Ja.“

„Es verheilt auch so. Ohne Arzt.“

„Es muss sein.“

„Bitte nicht. Ich möchte nicht.“

Adrian schaut sie an. Er erkennt Angst in ihren Augen. Die Heilung würde länger dauern. Das passt ihm nicht. Doch andererseits... Will er sie wirklich zwingen da rein zu gehen? Nein! Das kann er nicht. Er macht den Motor wieder an und fährt los.

„Danke.“ sagt sie. Es klingt sehr ehrlich gemeint.

Adrian steuert den Wagen zum Anwesen zurück. Unterwegs telefoniert er.

„Frau Grethan? Ja, ich bin’s, Demerion. Ich werde die nächsten zwei Wochen nicht zu erreichen sein. Ich mache Urlaub. Machen sie stellvertretend für mich weiter. Ich melde mich mal kurz zwischendurch. Gut? Also, dann. Danke. Tschüs.“

Der Wagen hält vor dem Anwesen.

 

¯¯¯

 

Am Abend sitzen beide in seinem Wohnzimmer. Adrian blättert in einem Buch. Alistaire sieht Fernsehen. Nach einer kurzen Zeit macht sie den Fernseher aus und schaut Adrian an. Dieser bemerkt das und schaut von seinem Buch auf.

„Stimmt etwas nicht mit mir?“ fragt er verwundert.

„Menschen haben normalerweise Angst vor Drachen. Warum du nicht?“ fragt sie.

„Vielleicht, weil ich lebensmüde bin.“ Er lächelt.

„Warum willst du sterben?“ fragt sie weiter.

Sein Lächeln gefriert. „Das kann und will ich dir nicht sagen, Alistaire. Denk an das Versprechen, das Crystallion mir gab. Es bleibt dabei. Wie lange braucht dein Arm, bis er geheilt ist?“

Traurig von seinem plötzlichen Stimmungswechsel hebt sie vorsichtig den Arm an. „So lange, wie bei euch Menschen auch. Es kann schnell verheilen, es kann aber auch länger dauern. Das kann ich nicht beeinflussen.“

Er sieht ihre traurigen Augen und senkt den Kopf. Er kann ihr sein Geheimnis nicht mitteilen. Sie kann ihm ja doch nicht helfen.

„Tut mir leid. Ich wollte nicht so hart sein.“

Er steht auf und geht zu ihr hin. Sanft hebt er sie vom Sessel hoch und nimmt sie in seine Arme.

„Tut mir leid.“ sagt er noch mal leise. Lange bleiben beide so stehen.

 

¯¯¯

 

Die Tage vergehen. Adrian zeigt Alistaire sein Anwesen. Das Anwesen ist sehr groß und bietet viele Gelegenheiten zum Spazierengehen.

„Dein Anwesen ist ja gewaltig. Hast du es gekauft?“ fragt Alistaire.

„Nein. Ich habe es geerbt. Ich bin der letzte einer langen Familienreihe. Meine Urahnen kamen nach England und bauten dieses Haus. Sie waren adelig. Dieses Haus, das Land und der Familienbetrieb sind mein Erbe.“

„Familienbetrieb?“

„Ja. In meinem Familienbetrieb wird feinster Wein erstellt. Er wird in alle Welt verkauft. Das Geschäft läuft sehr gut.“

„Interessant.“ Alistaire geht voran. Adrian folgt ihr und bewundert wieder ihre Schönheit.

„Erzähl mir etwas über deine Feinde.“ sagt er.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es handelt sich um Feinde meiner Mutter Astallion. Sie wollen mich fangen, um meine Mutter zu erpressen.“

„Warum wollen sie deine Mutter erpressen?“

„Sie ist die Königin über die weißen Drachen. Redonar ist der Führer der roten Drachen. Er will das gesamte Reich der Drachen beherrschen. Sein Widersacher ist Dremonar. Er ist der letzte der schwarzen Drachen. Und sein Bruder.“

Alistaire bleibt stehen.

„Ich bin dir sehr dankbar für deine Hilfe. Ohne dich hätte es sehr schlecht um mich gestanden. Ich bezweifle, dass ich von anderen Menschen so eine Hilfe wie von dir bekommen hätte. Ein Drache. Das wäre eine Attraktion gewesen. Ich wäre Geld für andere gewesen.“

Alistaire legt ihre Hände auf seine Schultern. „Nie, nie zuvor hat mich ein Mensch so akzeptiert wie du. Du bist der erste Mensch, der in mir nicht den Drachen, sondern die Frau sieht, die jetzt vor dir steht. Und das bedeutet mir sehr viel.“

Adrian Demerion spürt die Wärme, die von diesen Worten ausgeht. Er fühlt sich irgendwie ganz schlecht. Das Versprechen, das er ihr abverlangt tut ihr weit mehr weh, als er dachte. Ein Drache hat mit so etwas keine Probleme, aber Alistaire. Er verwirft schnell den Gedanken. Was er auch denkt, es ändert nicht seine Lage. Es muss so enden. Es kann gar nicht anders enden.

Alistaire nimmt ihre Hände von seiner Schulter. Dabei verbeißt sie sich den Schmerz, der von ihrem rechten Arm ausgeht. Sein Zögern sagt ihr alles.

„Was ist so stark, dass du sterben willst?“ Sie dreht ihm den Rücken zu und geht langsam weiter. Was er nicht sehen kann, sind die Tränen, die in ihre Augen treten. Adrian bleibt zurück. Als sie weiter weg ist, rast seine Hand an einen Baum.

„Warum? Warum nur?“

 

¯¯¯

 

Zwei weitere Tage vergehen. Es wird kein Wort über das Versprechen gesagt. Adrian erzählt viel über sich und sein Anwesen. Alistaire findet in den Worten von Adrian keinen Grund für sein Sterbebedürfnis.

Abends duscht er sich. Alistaire geht in sein Arbeitszimmer, um im Bücherregal zu stöbern. Sie findet ein Buch über Drachen und nimmt es aus dem Regal.

„Ich bin mal gespannt, was die Menschen über uns schreiben.“ murmelt sie und geht auf seinen Arbeitsstuhl zu. Dabei stolpert sie über den Läufer am Boden und stürzt. Sie kommt mit dem rechten Arm auf dem Schreibtisch auf und reißt einen Packen Papiere mit sich.

„Ahhh.“ Schmerzerfüllt hält sie ihren Arm fest. Sie sinkt auf die Knie. Es dauert einen Augenblick, bis sie sich einigermaßen erholt hat.

„Was habe ich da nur angerichtet?“ sagt sie zu sich selbst, als sie die Bescherung am Boden sieht. Sie packt das Papier auf einen Haufen und legt es wieder auf den Schreibtisch. Dabei fällt ein Brief aus dem Packen. Er fällt direkt vor ihre Füsse. Sie hebt ihn auf und möchte ihn zurücklegen.

Doch da erfüllt sie Neugier. Nach kurzem Bedenken faltet sie den Brief auf und fängt an zu lesen. Mit jeder Zeile weiten sich ihre Augen und ihr Mund öffnet sich. Sie begreift. Jetzt ist ihr klar, warum er so auf das Versprechen beharrt.

Sie legt den Brief zurück und geht mit dem Buch aus dem Arbeitszimmer.

So viel ist jetzt klar.

 

¯¯¯

 

Wieder vergehen ein paar Tage. Sie sitzen Abends im Wohnzimmer.

Alistaire sitzt auf dem Sofa und liest. Adrian steht am Fenster. Draußen ist es am regnen. Es ist kalt. Der Herbst durchzieht das Land. Adrian dreht sich um und schaut Alistaire an. Erneut fesselt ihn ihre Schönheit. Sein Blick streift über ihren schlanken Körper und bleibt bei ihrem Gesicht hängen. Ist es ein Zauber, den sie ausstrahlt? Er weiß es nicht.

Alistaire legt das Buch zur Seite und steht auf. Sie geht langsam auf ihn zu. Ihr weißes Kleid schimmert im leichten Licht des Kaminfeuers.

Sie bleibt vor ihm stehen. Adrian ist überrascht. Ihre Augen strahlen Sanftheit aus. Sie hebt ihren rechten Arm. Ihre linke Hand öffnet den Verbandverschluss. Sie hält ihm den rechten Arm hin. Er schaut erst auf den Arm und dann auf sie. Sie nickt. Er wickelt langsam den Verband ab. Der Verband fällt zu Boden. Sie schauen sich tief in die Augen. Ihre Augen glänzen seltsam.

Wortlos tritt sie ganz nah an ihn heran und berührt mit ihren Lippen die seinen. Er nimmt sie fest in den Arm und erwidert den Kuss.

„Schenke mir diese Nacht.“ sagt sie und er nickt. Sie geht in ihr Schlafzimmer, wobei sie ihn sanft mit sich zieht. Die Nacht ist noch lang.

 

¯¯¯

 

Als Adrian am nächsten Morgen aufwacht, ist er allein im Schlafzimmer. Er zieht sich an und geht in das Wohnzimmer. Doch da ist sie nicht. Nach kurzer Suche findet er Alistaire am Schwimmbecken. Sie trägt ihr weißes Kleid und die Schuhe mit den funkelnden Edelsteinen.

„Ist es soweit?“

„Ja, Adrian. Hier hat es begonnen. Ob es hier endet, überlasse ich dir.“

„Was soll das heißen?“

„Ich weiß alles. Alles über deine Krankheit.“

„Aber woher?“

„Das bleibt mein Geheimnis. Du hast Krebs und willst deswegen sterben.“

„Ja.“

„Warum bekämpfst du den Krebs nicht? Ich liebe dich. Es fällt mir sehr schwer, das Versprechen zu halten.“ Sie senkt den Kopf.

„Ich liebe dich auch, aber... aber ich... kann nicht.“ Er fällt auf die Knie und schlägt die Hände vor sein Gesicht. Tränen rollen über seine Wangen. „Auf dieser Welt kann mir niemand mehr helfen. Ich möchte in eine andere, in eine bessere Welt.“ schluchzt er.

„Es sei.“ Alistaire beugt sich zu ihm nieder und küßt ihn auf die Stirn. Dann tritt sie zurück. Sie hebt ihre Arme. Sie beginnt sich langsam zu verändern. Ein Schein umgibt sie und Alistaire beginnt zu wachsen und sich zu verwandeln. Aus Alistaire wird Crystallion. Adrian erhebt sich und erwartet sein Schicksal. Der weiße Drache hebt seine mächtigen Flügel und speit Feuer.

„Ich werde mein Versprechen halten, Adrian Demerion.“ hallt die Stimme des Drachen wider.

„Ich liebe dich Alistaire.“ sagt Adrian leise, bevor es schwarz vor seinen Augen wird.

 

Ende


17.06.1995

Amy & Olli
 
 
 
Geschichte
 
Wie sicherlich schon einige wissen, schreibe ich gerne Geschichten. Diese Geschichte habe ich mit Amy zusammen geschrieben und ich habe sie bis heute nie korrigiert oder in die Vergangenheit gesetzt, sondern sie im Ursprung gelassen, weil es unsere letzte gemeinsame Geschichte war.
Alles was ich dazu noch sagen möchte ist, das diese Geschichte im Krankenhaus enstand und Amy im gleichen Jahr ihre Flügel bekam....
Ich hatte ihr damals versprochen diese Geschichte nicht zu vergraben sondern auch Anderen zu zeigen. :-)
 
I´m sorry, i only have that story in german. It was the last story i wrote with a wonderfull person, called Amy and we wrote it in the hospital. In the same year she ot her wings...
 
 
Liebe Grüße
Lys & Olli
 



3 Kommentare:

  1. Eine sehr schöne geschichte Olli, die zu Herzen geht.
    Danke dafür.

    Liebe Adventgrüße
    Angelika

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  2. Eine sehr schöne, aber natürlich auch traurige und bewegende Geschichte...
    Dein Verlust tut mir leid, auch wenn ich nicht mehr darüber weiß...♥

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  3. Kann ich mich nur anschliessen...eine wirklich sehr schöne Geschichte.

    Danke dir dafür

    liebe Grüssle

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